Kannst du dich noch daran erinnern, wie du mir erzählt hast, dass du Gewitter nicht ausstehen? Denke ich mir. Denn du bist ja nicht da, also kann ich das nicht fragen. Eigentlich kann ich dich rein gar nichts fragen, obwohl ich dich doch so verdammt viel fragen wollen würde.
Es ist eine seltsame Zeit gerade, ich denke, das das jeder sagt. Aber ich schließe mich dem an. Ich denke das auch. Denn wir haben im Moment so viel Zeit uns mit uns selbst auseinander zu setzten. Nur, dass ich mich nie wirklich mit mir auseinander setzte, denn ich liebe es zu sehr, mich mit dir auseinander zu setzten.
Es donnert ein zweites Mal. Aber der Blitz bleibt aus. Du hast mir dieses kleine, kurze Video geschickt. Du standest vor deinem Fenster, in deiner ersten Wohnung. Die weißen, schrecklichen Vorhänge waren ein wenig zur Seite gezogen und Regenbänder floßen zu Boden, ich konnte nicht mal deine Aussicht erkennen. Da war nur Regen, kurz erleuchtet von einem hellen Licht. Und ein Donner konnte man hören. Dann war kurz Ruhe. „Ich liebe Gewitter“, war dein kurzer, ironischer Satz dazu. Ich kann mich noch ziemlich gut an mein Schmunzeln erinnern. Weil sich in diesem Moment alles so richtig angefühlt hat, ich hatte das Gefühl, Platz in deinem Leben eingenommen zu haben. Nach so kurzer Zeit, einen Ort gefunden zu haben, der nur mir gehört. Den ich mir mit dir teilen kann.
Egal. Denn das einzige, was mich zum Denken bringen sollte, ist das, dass ich immer noch über dich nachdenke. Dass du in so vielen kleinen Momenten in meinem Leben auftauchst und deine Kommentare herum spuken. Deine schöne, dunkle Stimme meinen Kopf erfüllt, man das Lächeln hören kann, währenddessen du mir etwas über dich und deinen Tag erzählst. Ich bin immer noch verblüfft darüber, wie schnell du mir deine Türe geöffnet hast, wie schnell du mich in dein Leben gelassen hast. Mir gezeigt hast wer du bist, mich hast träumen lassen, mir neue Perspektiven und Denkweisen gezeigt hast, du Abende lang mit mir über Weltanschauungen diskutiert hast, Und mich dann von einem auf den anderen Tag aus deinem Leben gestrichen hast, fast so, als wäre ich dir zu nahe gekommen. Als hättest du plötzlich gemerkt, auf welcher Überholspur wir uns befinden.
Funkstille. Der letzte Donner ist über mich hergezogen. Und eigentlich wünsche ich mir nur nach meinem ersten, naiven, kleinen Hey. Ein ehrliches und anständiges Bye. Ist das denn zuviel verlangt? Sind wir und das denn nicht schuldig? Mein Herz ist nicht daran zerbrochen, keinesfalls. Es nagt auch nicht an meinem Ego, nein. Aber es ist ein Fragezeichen, das ich Tag täglich mit mir herum trage, das an mir knabbert, mich immer wieder an dich erinnert. Mich daran hindert, dich einfach abzulegen, in welchen Ordner auch immer. Hauptsache abgelegt, beendet. Aber irgendwie funktioniert das nicht, denn du bist eben immer wieder auf Neue da. Und diese Zeit hilft mir gerade nicht dabei, die Fragen zu klären, sie verstärkt nur das Bedürfnis danach, die Fragen zu stellen. Sie beantwortet zu bekommen.