Da geht sie mit ihm. Sie sehen nicht aus, als wären da wirklich Gefühle, als würden Funken sprühen. Aber ich will mir nicht das Recht herausnehmen, über ihre Beziehung zu urteilen. Die Unterstellung, ich wäre Eifersüchtig, wäre vielleicht nicht von der Hand zu weisen. Denn ich vermisse das Gefühl, an jemanden zu denken und zu lächeln. Trotzdem würde ich keine anderen Menschen schlecht machen.
Mit schnellen Schritten gehe ich weiter, will mich nicht umsehen. Vorbei an dem anderen Mädchen, sie hat ihn sich geschnappt. Ich fand ihn eine kurze Zeit nicht sehr uninteressant, aber es war überhaupt nichts besonderes. Die Punkte hätten gepasst. Mehr nicht.
Ich laufe weiter, erreiche die Ubahn, stelle mich hin und starre durch die Gegend. Sehe mir Bewusst die Männer an, will mir für die nächsten Minuten eine kleine Traumwolke basteln, ich will endlich mal wieder mit jemandem fliegen.
Wir halten an, die Türen gehen auf, mein Blick schweift suchend herum. Ich weiß, dass an dieser Haltestelle oft Leute in meinem Alter einsteigen. Also habe ich eine größere Chance meinen kurzzeitigen Wolkenjungen zu finden.
Ein großer Junge zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Er hat eine hellbraune Lederjacke an. Er stellt sich weiter vorne mit dem Rücken zu mir hin. Ich versuche sein Gesicht zu erkennen, einen winzigen Moment seine Vorderseite zu erhaschen, doch mein Plan geht nicht auf.
Das einzige was ich erkenne sind seine dunkelblonden Haare, hinten kürzer, oben länger, verwuschelt, sie stehen ab. Meine Hände kribbeln, haben den Wunsch ihm durch die Mähne zu fahren, weiter in alle Richtungen zu ziehen. Seine Wangenknochen sind ausgeprägter, er hat ein schönes Gesicht von der Seite. Ich schaue auf die Bahnhöfe, an denen wir vorbei fahren, doch ich will immer wieder zu ihm hinsehen. Das träumen gelingt mir nicht wirklich, denn mein Herz will die Gegenwart genießen.
Irgendwann beobachte ich sein Spiegelbild in dem Ubahnfenster. So kann ich ein wenig mehr von ihm erkennen, ich grinse ein klein bisschen. Komme mir gleich doof vor, alleine rum zu stehen und zu lächeln, weil ich einen Jungen mustere. Dann erkenne ich, dass er sich umdreht, durch den Wagon sieht. Das Spiegelbild sieht in meine Richtung, sein Blick bleibt hängen. Ich sehe verstohlen nach ein paar Sekunden auf den Boden, hat er mich gerade angesehen? Ich fühle mich ertappt, peinlich berührt. Wahrscheinlich ist es nur durch die Spiegelung so rüber gekommen. Aber es sah wirklich so aus, als hätte mich der reale Wolkenjunge angesehen. Egal.
Ich sehe wieder auf und merke wie er mich wieder ansieht. Unsere Blicke treffen sich, ich würde gerne wegsehen, doch irgendwas in mir protestiert. Sein Blick schießt in meine Lunge, mein Herz und Atem fangen plötzlich zu rasen an. Schnell sehe ich wieder weg.
Er macht Anstalten die nächste Station auszusteigen. Ich sehe wieder zu ihm, unsere Blicke treffen sich erneut. Seine Augen ähneln Knopfaugen. Ich bin kurz davor mich von der schützenden Wand abzustoßen und zu ihm zu gehen. Er bleibt auch immer und immer wieder an mir hängen. Lächelt leicht. Die Ubahn bleibt stehen und sein Gesichtsausdruck wirkt fast enttäuscht, dann öffnet er die Türen und geht mit schnellen Schritten den Bahnsteig entlang.
In meinem Kopf strömen Winde umher und blasen die Wolken von links nach rechts. Ich habe so etwas schon ewig nicht mehr gefühlt. Es waren nur Blicke und plötzlich weiß ich es wieder wie es sich immer mit ihm angefühlt hat. Ich kann wieder nachvollziehen, warum ich die Zeit so geliebt habe. Vielleicht bringt dieser Frühling etwas kleines, zieht eine Wolke hinter sich her.
Eine Wolke mit dem Wolkenjungen darauf, der auf mich das Wolkenmädchen gewartet hat.
Vielleicht, sehen wir uns ja wieder. Das Leben kann manchmal verrückt sein. Ich spreche da aus Erfahrungen.
"My hand need your hand, my lips need your lips, and I need you."