Da gab es dieses letzte Fünkchen Hoffnung.
Er war vor meinem Auge, wenn die winzigen Tropfen aus mir kamen, sich die Tränen ihren Weg über mein Gesicht bahnten und eine salzige Spur hinterließen. Er war bei mir zu allen Zeiten.
Es ist Vergangenheit. Viele Typen kamen und gingen wieder, ein paar sind vielleicht in Erinnerung geblieben, Nummern sind noch immer im Handy gespeichert.
Aber da gab es eben ihn und dieses Gefühl. Keiner konnte ihm das Wasser reichen, weil er immer nur Fiktion war, keine Macken hatte und nicht meiner Vorstellung Wiedersprechen konnte.
Das Schusslicht, der letzte Blitz, der über den Himmel zieht, auf all das habe ich gewartet. Aber in meinem Leben läuft es nicht so, da machen sich die Leute nicht schnell aus dem Staub und dann setzt der Herzschmerz ein und die Taschentücher können nass werden. In meinem Leben ticken die Uhren anders, da dauert es langsam, bis wir uns endgültig verabschieden und uns neue Inseln suchen zum verschanzten, sei es besser als davor.
Ich warte auf den Schmerz. Manchmal habe ich schon Angst, meine Gefühle verloren zu haben, einfach weil er nicht einsetzten will.
Er. Oberkörperfrei. Und dann ist da eben sie. Es ist ein neues Bild für mich, eine neue Welt in die ich geworfen werde.
Früher war in meiner Zeichnung immer nur er und ich, vielleicht noch ein Blitz, weil die Rechnung nicht aufgegangen ist. Vielleicht weil wir einfach nicht zusammen gepasst haben. Aber plötzlich taucht da noch dieses Mädchen auf dem Bild auf. Nur zwei lächeln, ich sehe zu Boden, weil ich niemanden in die Augen sehen kann.
Es war mein Junge, es war meine erste Liebe. Es war meine Erinnerung an die Liebe, an das Glücksgefühl, nur deswegen weil man einen Menschen sieht. Es war der Grund zum Lachen.
Und dann war da dieses Bild. Und eben sie.
Der Schmerz und die Tränen bleiben aus. Das ist alles so normal. Natürlich hat er jemanden, denn er ist einer der tollsten Typen, die mir jemals in meinem Leben begegnet sind. Warum also sollte er nicht lächeln dürfen. Nach ihm kamen doch auch neue Kerle, wieso also nicht auch neue Frauen. Worauf sollen wir warten?
Ein kleiner Befreiungsschlag.
Da gab es dieses letzte Fünkchen Hoffnung, aber das brauche ich nicht mehr. Er ist nicht mehr das passende Puzzleteil. Da gibt es mittlerweile andere, die besser in die Reihe passen. Er muss mich nicht mehr an der Hand nehmen, denn meine Füße bringen mich selbst durch die Welt, wissen was ich will. Er muss nicht mehr der Grund für mein Lächeln sein, denn ich habe so viele Gründe gefunden.
Meine Welt ist nicht mehr die, die von damals. Es war eine Zeit, in der ich mir beweisen wollte, dass ich älter geworden bin, mich verändert habe. Aber dafür muss ich nicht in den Spiegel schauen. Dafür muss ich nur einmal Lächeln, denn das ist da. Ohne einen Blick auf einen Kerl. Da ist so viel neues in mir, so unglaublich viel Liebe und Freude.
Dennoch sind da diese grauen Regenwolkentage, die keiner leiden kann. Aber ich brauche nicht mehr ihn, um gegen das große schwere auf meiner Seele anzukämpfen, ich habe selbst den kleinen Überlebensplan geschrieben.
Das Bild schiebe ich weit weg. Denn jetzt gehört er ihr. Das war es. Kein nasses Taschentuch. Keine Verzweiflung. Das Buch ist zu. Schon länger als ich gedacht habe.