Wahrscheinlich dachte ich, ich könnte ewig weglaufen. Vor der Vergangenheit, vor der Zukunft, vor den Gedanken die mich aufgefressen hätten.
Aber jetzt ist es wieder da, das ganze Jahr zieht an mir vorbei, als wäre es ein Tag gewesen. All die Tränen, all das Grinsen, all das Hüpfen, das neue ich, das eigentlich noch immer so aussieht, wie das Spiegelbild von vor ein paar Monaten. Das Herz schlägt immer noch im gleichen Takt und trotzdem, ist in mir so viel passiert. Ich habe so viel gelernt und erfahren. Über Freundschaft, über Leben, über Glück und über Liebe. Selbstliebe.
Manchmal da würde ich gerne einfach auf eine Wiese treten, für ein paar Minuten an einen Ort, an dem man ruhig denken kann, ohne von all den anderen Gefühlen in mir angeschrien zu werden. Manchmal da würde ich mir wünschen, einfach denken zu können, ohne von Erinnerungen bestimmt zu werden, in welche Richtung meine Entscheidung driften sollte. Manchmal, da würde ich auch gerne einfach keine Entscheidungen treffen müssen, nur alles auf mich zukommen lassen.
Aber in mir ist immer das Bedürfnis weiter zu denken, weiter zu planen, in die Zukunft zu sehen. Ich brauche einen Kalender, einen besonderen Tag, die Vorfreude. Nicht das ungewisse, das zweifeln, das zerdenken.
Aber wie soll man Jahre, die mit Gefühlen und Glück gefüllt waren gegeneinander abwägen, wie kann ich eine Entscheidung darüber treffen, über dessen Konsequenzen ich keine Angabe habe.
Ich halte den Türknauf in der Hand, ein Spalt ist schon geöffnet und all das Vergangene wird mit dem kalten wind gegen mein Gesicht gedrückt, damit ich ja nichts vergesse, aber meine Hand verkrampft sich nur noch mehr um den Knauf. Die Türe weiter zu öffnen könnte was gutes bewirken aber auch all das schlecht fühlen wieder zurück bringen. All das schweigen und das warten.
Ich habe gezweifelt, ob ich die Monate danach überleben würde. Das Alleinsein, die Einsamkeit hat mich immer mehr in das schwarze Loch gezogen. Ich habe Vermisst, war wütend, auf mich, auf sie, auf all das was vermeintlich schief gelaufen ist.
Aber es ist nichts schief gelaufen. Es ist eine Geschichte über zwei Menschen, die sich Jahre lang was zu sagen hatten, aber irgendwann gingen die Wörter aus. Irgendwann waren die Spiegelbilder zu unterschiedlich, die Gedanken zu weit weg.
Am Anfang habe ich alles auf den anderen geschoben, dachte ich wäre konstant ich geblieben, wäre immer noch das Mädchen von früher, mit den zwei Zöpfen und der orangefarbenen Jacke. Aber das war ich schon lange nicht mehr. Mittlerweile war ich das Mädchen, mit dem komischen Musikgeschmack, dem ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn und der zu grünen Seele.
Doch ich, die immer darauf pocht, alles von jeder Seite zu beleuchten, habe vergessen, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen und habe nur noch mich gesehen, mein gebrochenes Herz, weil es nicht funktioniert hat, unsere wundervolle Freundschaft.
Wahrscheinlich, nein ganz sicher, war aber ich diejenige gewesen, die immer mehr ihren Weg gegangen ist. Immer mehr den Plan, den sie hatte verloren hat und sich auf neue Spuren begeben hat. Ich habe aufgehört nach hinten zu sehen, vergessen ihre Hand zu nehmen und zu versuchen sie mit in meine Welt zu nehmen. Ich habe die Türe geschlossen und sie draußen stehen gelassen. Ich wollte kein böses Blut, hatte Angst vor Wörter, die wir bereuen würden.
Ich bin alleine weiter gegangen, am Anfang nur langsam, am Schluss bin ich gerannt, mit einem Lächeln, habe vergessen und verdrängt. Wollte nur noch nach vorne sehen und nach dem Glück greifen.
Das waren wir immer, die zwei Suchenden nach dem Glück. Nach der Perfektion.
Doch wahrscheinlich wird mein Weg nie ganz ohne sie gehen, denn wenn ich nur kurz zurück blicke, dann sehe ich Meilen lang zwei kleine Mädchen, die gemeinsam groß werden, Hände halten und wie Schwestern sind. Egal wie weit weg ich gehen werde, egal welche Wege wir gehen, wir werden da wohl unsere Vergangenheit haben, die bis in die Zukunft reichen wird. Das Glück in dem Marmeladenglas, das man immer wieder öffnet um an der Luft von früher zu schnuppern.
Ich kann nicht sagen, ob es wieder eine Kreuzung geben wird, ob wir uns gerade nur parallel bewegen oder kreuzen. Es ist egal, denn es liegen noch Jahrzehnte vor uns, die Hauptsache ist, wir lächeln.