Und dann habe ich irgendwann einfach angefangen meinem Herzen etwas vorzuspielen. Einfach weil ich den schmerz nicht mehr spüren wollte, das taubheitsgefühl mich gelähmt hat und ich keinen Atem mehr hatte um Luft zu holen und wieder von neuem anzufangen.
Das positive steht mir, ich mag mein Lächeln und meinen Gang. Ich mag das Selbstbewusstsein, das ich habe, wenn er vor mir steht, ich den Kopf leicht in den Nacken lege und wieder mal überlege, wer er ist.
Mittlerweile sind so viele Charakter und Gefühle in mir vereint, dass es keine Definition mehr für mich gibt. Keiner kann mehr sagen, was ich bin, mal das und einen Tag danach jemand anderes. So ist das eben, wenn man sich selbst sucht, jede Minute. Doch irgendwann lernt man damit umzugehen. Irgendwann bin ich stehengeblieben und habe meinem rennenden Ich nachgesehen. Habe all den Menschen nachgesehen, die ein Teil von mir haben, all denen ich hinterhergelaufen bin, obwohl ich gar nicht wusste warum eigentlich.
Dann sitze ich in dieser Bar, weit draußen, weit vor den Stadtmauern, bei lauter Musik, gedimmtem Licht und einem zu süßen Drink, in dem sich der Alkohol gut zu verstecken weiß. Der Typ mit dem Dutt sieht zu oft, ganz ausersehen, zu mir, zu oft begegnen sich unsere Blicke, zu oft schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. Das Ich mit dem Glücksgefühl, dem netten Lächeln, dem erhobenen Kopf, den frechen Sprüchen, ist wieder da. Ich begrüße es mit einem kräftigen Schluck meines Drinks.
Manchmal da ist es so einfach zu fliegen, machmal da kann man sich so einfach etwas vorspielen.
Der Raum ist zu leise, zu ruhig, zu hell. Wir sind zu still, reden nicht. Mein Blut kocht in meinen Adern, mein Kopf befiehlt Ehrlichkeit, in meinen Ohrspitzen sammelt sich all das Blut, all die Aufregung, all die Hoffnung, die ich mir für diesen Abend aufgehoben habe. Und dann schalte ich doch Musik ein, weil ich es nicht mehr aushalte, die leeren Wortfetzen, die wir uns entgegenwerfen, damit wir den Rest unserer Freundschaft retten. Ich bete, damit er nur zwei Minuten auf den Text hört. Der Sänger übernimmt alle meine bitten an ihn. Er soll meine Liebe nehmen, er soll laufen, weit weg, er kann mich zurücklassen, mein leeres Herz soll er beiseite werfen, er kann mich vergessen, aber soll meine Liebe nehmen und rennen. Denn ich kann nicht mehr mit all der Hoffnung, all der Hitze, all den Blicken und Berührungen zurecht kommen. Oder er hört nicht auf den Text, wir beginnen wir uns etwas vorzuspielen, uns und der ganzen Welt. Es macht nichts, denn dann würden wieder die besten Monate meines Lebens anfangen und ich könnte wieder auf der Zuckerwattenwolke fliegen, umgeben von guter Laune. Nur, dass ich eben Abends alleine schlafen gehe und er neben ihr legen wird, wie all die letzen Monate auch schon.
Es macht nichts, ich heuchle meinem Herz eben wieder das Gute vor, genehmige mir noch ein paar Drinks mehr, bis der Typ und ich hinter der Bar verschwinden. Es macht nichts, sein Herz Monat für Monat mehr abzustumpfen.