Wir streifen mit unseren Gedanken durch meine Vergangenheit. Begegnen alten Bekanntschaften, Menschen an denen noch immer ein kleiner Zacke meines Herzens klebt.
Besonders einem begegnen wir, an dem immer noch zu viel von mir geblieben ist. So viel habe ich an ihn verloren, Gedanken, Tränen und am meisten Zeit. Aber es hat sich gelohnt, ich will das alles nicht vergessen. Er hat mich näher zu mir selbst gebracht, hat mir Teile meines Herzens abgenommen, die ich nie wieder benötige. Hat den Platz eins eingenommen, ohne es wirklich zu wissen. Mit einem einfachen Lächeln, mit seinem bloßen dasein, hat er mich in seinen Bann gezogen und nie wieder wirklich losgelassen. Das ist so und ich werde es auch nie verschweigen, denn das ist meine Geschichte. Ein Kapitel meines gesamten Lebens. Ein verdammt großes Kapitel.
Doch irgendwie habe ich das Gefühl, das es schon lange ein Kapitel zwei benötigt, dass der Platz zwei besetzt werden muss. Neue Erfahrungen gemacht werden müssen, neue Versprechen gelobt werden müssen.
Damals bin ich in diese neue Welt geworfen worden, zu viele Jungs um mich herum. Als wäre ein kleines Kind in einem Süßigkeitenladen ausgelassen worden, mit den Worten, nur anschauen, nicht anfassen! Ich habe mich an die Regeln gehalten und die ersten Wochen, in der neuen Welt, jeden Abend die Seiten meines Tagebuchs mit neuen Namen gefüllt. Neuen Jungen, neuen Schmetterlingen, neunen Zukunfsvorstellungen. Nach ein paar Wochen war ich auf dem Weg nach Hause, alleine. Bereit aus einer frisch geschlüpften Raupe, einen neuen Schmetterling zu züchten. Doch dann war plötzlich er da, mit der gleichen Jacke, von unseren ersten Begegnung, fasziniert von dem Spiel auf seinem Handy, absolut in seiner Welt. Und plötzlich waren all die anderen Schmetterlinge, all die anderen Raupen, die noch weiter gefüttert werden wollten, vergessen. Denn ab da an gab es nur noch ihn.
Mittlerweile reden wir alle nicht nur mehr, nein wir tuen auch all das wovon wir früher geträumt haben.
Trotzdem hat sich da noch kein Kapitel zwei aufgetan.
Wieder eine neue Welt. Wieder ein wenig das Gefühl, des Sußigkeitenladens, jetzt nur noch mehr die Regel: Anschauen, nicht anfassen! Denn es sind keine kleinen Jungs mehr, keine Klassenkameraden. Es sind Männer, Kollegen. Keine Zukunftsvorstellungen, es ist die Zukunft. Ich kann keine kleinen Raupen mehr zu Schmetterlingen züchten, denn es sind alles schon Schmetterlinge, mit all ihren wunderschönen Geschichten auf ihren Flügeln.
Es gibt keine Tagebücher mehr, die Zeit fehlt. aber es gibt immer noch meine Gedanken, meine innerlichen Notizen. Schon wieder stehen ein paar Namen, innerhalb ein paar Tage auf meiner imaginären Liste. Doch alle wurden wieder vergessen, ein Name ist stehen geblieben. Wird immer wieder nachgezogen, seine Flügel besonders genau betrachtet. Vielleicht schafft es der Schmetterling in Kapitel zwei?